Dienstag, 24. Juni 2014

Und Sarah, ist er denn lieb?

Hallo liebe Leserinnen (und evtl. auch Leser?)!!

Kommt Ihnen die Frage bekannt vor? Ich kam vier Tage nach der Entbindung aus der Klinik und nach circa einer Woche ließ ich mich das erste Mal mit Ian bei den Verwandten und Bekannten blicken. "Ooh, das habt ihr ja toll hinbekommen... und sag mal Sarah, ist er denn lieb?"
Bei den ersten paar Personen antwortete ich verdutzt "ähm ja?" mit einem hilfesuchenden Blick zu meinem Freund. Doch schon bald wurde daraus ein genervtes "Na was soll er in dem Alter denn schon groß anstellen?" bis zum frechen "Neee, mittlerweile hat er Hausarrest bis er 18 ist."

Unsere Gesellschaft misst lieb-sein am Maßstab des Weinen des Kindes. Sprich sogenannte Schrei-Babys sind die absolute Satansbrut, während mein Ian fast schon ein kleiner Engel ist. Und trifft man die Verwandten und Bekannten und Ian ist mal schlecht drauf, oder schreit auch mal, dann wird deutlich verlangt "Du musst doch lachen!" und behauptet "Du hast doch gar keinen Grund so traurig zu sein!" - augenscheinlich aber schon!

Mir ist es natürlich auch lieber, wenn Ian fröhlich oder neutral ist, aber wer sieht schon gerne Menschen die man liebt weinen?
Außerdem hat mein lieber Sohnemann seine Emotionen noch gar nicht unter Kontrolle. Gestern hat er so doll gelacht, dass es ihm plötzlich zu lustig war und er darauf hin einfach mal los weinen musste.
Ja, meine Güte, was soll ich da machen? "Du bist mir aber ein böser Junge" ist da doch zweifelsohne das erste was einem in den Kopf schießt, und nicht, dass man selber total lachen muss, weil das Baby mal wieder außer Rand und Band ist.



Was wir auch sehr lieben: "Ooh, DAS wird mal ein ganz schlauer!" - kann man natürlich bei einem 14-Wochen alten Baby jetzt schon präzise vorhersagen.
Das erste Mal bekamen wir diesen Satz zu hören, weil er mit zwei Tagen sein Köpfchen schon sehr gut halten konnte. Meine Reaktion: "Hm, bei dem Bratzkopf muss er das auch."
Dann immer mal wieder über die Wochen verteilt, weil er irgendwas konnte, was für sein Alter entsprechend war.

Wobei wir von seiner Oma, die ihn circa alle zwei Wochen für max. zwei Stunden sieht, zu hören bekamen "Er spricht ja noch gar nicht" und das genau zu der Zeit als Ian entdeckte, dass er Geräusche machen kann und es umso witziger ist wenn die Mami auch noch genauso mit "ooooh" und "grrrrr" und "aaaah" Antwortet.
Ian spricht halt nicht mit jedem, aber mit meiner Tante, die er wohl genauso selten sieht spricht er fein und kugelt sich vor Lachen. Sympathie macht's und da erkennt man schon wer ein Händchen für die Kleinen hat und wer nicht.

Zu letzt hörte ich es, als ich Ian ab hielt und selbst mein Versuch zu erklären, dass dies alle Babys seines Alters können schlug fehl. Man wollte ihm unbedingt Schläue andichten.



Bestimmt sind auch einige unter Ihnen der Meinung, dass ich mich einfach freuen sollte, über so tolle "Komplimente" aber ich verstehe einfach nicht, wieso die Leute alles so festmachen wollen.
Ist ein Kind ruhig, ist es lieb. Macht man mit seinem Kind etwas nicht so bekanntes (z.B. tragen, abhalten, Familienbett) ist es verwöhnt. Brabbelt es mit jedem unentwegt viel, ist es schlau.

Wieso nicht Baby einfach Baby sein lassen?
Ob er schlau ist oder nicht, er ist mein Sohn und an so etwas misst man doch nicht wie viel Zuneugung ein Kind verdient hat.

Natürlich förder ich Ian, aber im gesunden Maße. Ich spreche viel mit ihm, nicht nur meine Wörter, sondern reflektiere ihm auch seine Laute. Darüber freut er sich sehr und gluckst und strampelt ganz aufgeregt.
Ich frage ihn jeden Tag welches der beiden Spielzeuge (die ich ihm vor halte) er gerne mit nehmen möchte, und er entscheidet sich alleine, ob nun bewusst oder unbewusst spielt für mich keine Rolle, ich habe ein gutes Gefühl dabei und er ein Spielzeug was ihn während der Autofahrt beschäftigt.
Ich singe mit Ian, ich gehe mit ihm "das Spiegel-Baby" besuchen, ich lasse ihn verschiedenste Materialien fühlen und sage ihm wie sie sich anfühlen (nass, kalt, weich, rau...) oder was sie für Geräusche machen (brummen, knistern...) und vieles mehr, aber ich nehme an, die meisten Mamis machen das mit ihren Babys.

Zudem kommt hinzu, dass ich viel mehr für mich übe, mit Ian so zu reden, wie wir es später in seiner "Erziehung" machen wollen.
Aber ich möchte jetzt nicht vorgreifen, da dies ein Thema für sich ist und einige Blog-Posts umfassen wird.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich von mir nie gedacht hätte, dass mich diese beiden Floskeln so nerven könnten. Wenn unsere Mitmenschen Interesse an uns haben, wieso fragen sie dann nicht direkt "Wie geht es Ian heute" oder  "Hat er schon was neues gelernt" oder "Wie klappt es mit ...".
Das wäre mir viel angenehmer, weil ich dann nicht sinnloses blah-blah austauschen würde, sondern die Leute aktiv an seiner Entwicklung teilhaben lassen könnte.
Zum Beispiel auf die zweite Frage, ob er schon was neues kann, daraufhin könnten Ian und ich den Leuten zeigen was er neues kann. Ihm macht es unheimlich viel Spaß und ich als Mami bin doch auch stolz einen so tollen Jungen zu haben.

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